Alfred Sabisch

Leben & Werk

Zu Leben und Werk des Bildhauers Alfred Sabisch (1905-1986)

 Der Bildhauer Alfred Sabisch gehört nicht zu den Künstlern seiner Generation um 1905, über die man mühelos in einem Lexikon Auskunft finden könnte. In Leben und Werk ging er einen eigenwillig genügsamen, zumal im Alter etwas zurückgezogenen Weg. Seinen künstlerischen Ausdruck fand er früh und sicher schon um 1930. Ihm folgten sofort die ersten glänzenden Erfolge. Sein reiches Werk von über 200 Skulpturen, vielen Zeichnungen und später auch einer Fülle von Bildern entfaltete er trotz schwerer Störungen. Erst kam die totalitäre Politik nach 1933, dann der Krieg seit 1939 und die Gefangenschaft nach 1945, dann die dürre Zeit nach 1945 und zuletzt großes privates Leid mit dem Tod seiner ersten Frau, der Sängerin Ilsa Ihme-Sabisch 1955. Doch zeigt sein Werk eine bemerkenswerte Kontinuität, die sich im Rückblick eindrucksvoll erschließt.

Lebensstationen

Geboren wurde Alfred Sabisch am 12. Juli 1905 im sächsischen Deuben bei Wurzen als drittes von fünf Kindern eines Angestellten. Kindheit und Jugend verbrachte er im nahen Städtchen Wurzen, wo dem Zeichenlehrer bereits die eminente Begabung des Jungen auffiel. Den Weg zur Bildhauerei nahm er bezeichnenderweise über eine zweijährige Handwerkslehre als Gold- und Silberschmied. Die künstlerische Ausbildung erhielt er etwa zwischen 1922 und 1928 in Leipzig. Er begann als Atielierschüler der Bildhauer Göldel und Andreas, lernte weiter an der Graphischen Akademie, d.h. der Hochschule für Graphik und Buchkunst und kam dort in die Bildhauerklasse von Professor Alfred Thiele (1886-1957). Bei Prof. Wilhelm Andreas (1882-1951) arbeitete er auch längere Zeit als einziger Meisterschüler. Für Steinhauen war Johannes Göldel (1891-1946) ein wichtiger Lehrer. Spätestens seit 1927 beteiligte sich Sabisch mit Tierplastiken, Porträts und Akten lebhaft und erfolgreich an Leipziger Ausstellungen. Ihn und seinen Malerfreund Rudolf Schnabel (1909-1949) zählte man bald zu den „beiden stärksten Talenten des künstlerischen Nachwuchses in Leipzig“ (Max Schwimmer, Zeitungsartikel 1932).

Zu Leben und Werk des Bildhauers Alfred Sabisch (1905-1986)

 Der Bildhauer Alfred Sabisch gehört nicht zu den Künstlern seiner Generation um 1905, über die man mühelos in einem Lexikon Auskunft finden könnte. In Leben und Werk ging er einen eigenwillig genügsamen, zumal im Alter etwas zurückgezogenen Weg. Seinen künstlerischen Ausdruck fand er früh und sicher schon um 1930. Ihm folgten sofort die ersten glänzenden Erfolge. Sein reiches Werk von über 200 Skulpturen, vielen Zeichnungen und später auch einer Fülle von Bildern entfaltete er trotz schwerer Störungen. Erst kam die totalitäre Politik nach 1933, dann der Krieg seit 1939 und die Gefangenschaft nach 1945, dann die dürre Zeit nach 1945 und zuletzt großes privates Leid mit dem Tod seiner ersten Frau, der Sängerin Ilsa Ihme-Sabisch 1955. Doch zeigt sein Werk eine bemerkenswerte Kontinuität, die sich im Rückblick eindrucksvoll erschließt.

Lebensstationen

Geboren wurde Alfred Sabisch am 12. Juli 1905 im sächsischen Deuben bei Wurzen als drittes von fünf Kindern eines Angestellten. Kindheit und Jugend verbrachte er im nahen Städtchen Wurzen, wo dem Zeichenlehrer bereits die eminente Begabung des Jungen auffiel. Den Weg zur Bildhauerei nahm er bezeichnenderweise über eine zweijährige Handwerkslehre als Gold- und Silberschmied. Die künstlerische Ausbildung erhielt er etwa zwischen 1922 und 1928 in Leipzig. Er begann als Atielierschüler der Bildhauer Göldel und Andreas, lernte weiter an der Graphischen Akademie, d.h. der Hochschule für Graphik und Buchkunst und kam dort in die Bildhauerklasse von Professor Alfred Thiele (1886-1957). Bei Prof. Wilhelm Andreas (1882-1951) arbeitete er auch längere Zeit als einziger Meisterschüler. Für Steinhauen war Johannes Göldel (1891-1946) ein wichtiger Lehrer. Spätestens seit 1927 beteiligte sich Sabisch mit Tierplastiken, Porträts und Akten lebhaft und erfolgreich an Leipziger Ausstellungen. Ihn und seinen Malerfreund Rudolf Schnabel (1909-1949) zählte man bald zu den „beiden stärksten Talenten des künstlerischen Nachwuchses in Leipzig“ (Max Schwimmer, Zeitungsartikel 1932).

Mit zahlreichen Porträts, vielen Aufträgen, Ausstellungsbeiträgen und allgemein beachteten eigenen Ausstellungen in der seinerzeit sehr lebendigen kleinen Galerie Barchfeld, auch dank nachhaltigem mäzenatischem Interesse und Museumsankäufen für Leipzig (s. Skulpturenverzeichnis Nr. 14 Junges Mädchen, 27 Knieender Knabe, 28 Liegende Katze), Dresden, Duisburg (Nr. 7 Kleiner Elefant, 9 Große Sitzende, 17 Sinnende, 19 Knieender Jüngling, 20 Leda, 21 Maler S., 25 Erwachende) und Mannheim (18 Sinnende), kam er zu großen privaten und öffentlichen Erfolgen. Ein sogenanntes Freiatelier der Stadt Leipzig genoss er 1931 unter dem durch seinen Widerstand in der NS-Zeit bekannten Oberbürgermeister Goerdeler. Mit Auslandsaufenthalten in Italien, Dänemark, Belgien und Frankreich nutzte der junge Künstler die endlich erreichte Unabhängigkeit. Ausstellungen in München, Stuttgart, Berlin folgten. Als die Künstlerbünde in „Kampfbünde“ überführt wurden und gerade für die Bildhauerei wichtigen öffentlichen Aufträge immer entschiedener das Parteibuch forderten, wich Sabisch 1934 von Leipzig nach Berlin aus, von dort nach Duisburg und Xanten und schließlich Ende 1937 nach Kalkar. Dort ließ er sich nach der Heirat mit Ilsa Ihme-Sabisch im Juni 1938 im Dezember im Haus Neuhaus nieder, dem Barockhaus der alten Klavierbauerfamilie und fand im sogenannten Taubenturm im dazugehörigen Stadtmauereck sein erstes Atelier. Dem Niederrhein war er nahe gekommen durch Xantener Aufenthalte mit den Künstlerfreunden Josef Horn (*1902), Hermann Teuber (*1894), Emil und Karl Barth und anderen sowie durch nachhaltiges Interesse an seiner Arbeit von Seiten des Städtischen Museums Duisburg unter der neuen Leitung seines Leipziger Kunsthistorikerfreundes Herbert Griebitzsch. Mit dem Maler Josef Horn stellte er 1935 in der Städtischen Kunstsammlung Duisburg, heute Wilhelm-Lehmbruck-Museum, aus. Verschiedene größere Aufträge zeichneten sich ab. 1937/38 entstand so die lebensgroße Fohlengruppe „Spielende Fohlen“ für den Vorplatz des Duisburger Hauptbahnhofs (Nr. 29), die dort lange bis in die 1960er Jahre ihren Platz hatte. Diese Skulptur fällt nicht nur durch ihre eigene Aussage auf, sondern auch in der wenig friedlichen Zeit durch das betont friedliche Thema und die ruhige, nicht dramatisierende Gestaltung, denkt man etwa an Tierplastiken des damals gerühmten Arno Breker. Zur neuen Heimat Sabischs wurde nun Kalkar. Kalkar vereinte damals die ruhige und auskömmliche Abgelegenheit eines malerischen niederrheinischen Kleinststädtchens mit dem Reiz einer eindringlichen, wenig berührten Natur, die Sabischs sächsischer Heimat in der Mulde-Landschaft bemerkenswert ähnelte. Hinzu kam der Vorteil eines reizvollen Ateliers im erwähnten Taubenturm. Auch künstlerische Kontakte etwa zum sehr bekannten „Rheinischen Expressionisten“ Heinrich Nauen (1880-1940), der ein größeres Atelier ebenfalls am Haus Neuhaus hatte, fehlten nicht, ganz abgesehen von Sabischs eigenen Kontakten nach Xanten und Duisburg. Nach dem Tode Nauens 1940 konnte er das größere Atelier bald erneuern und beziehen. Aber die produktive Ruhe war kurz. Fünf Jahre Kriegsdienst und Gefangenschaft folgten vom Frühjahr 1940 bis Mitte Juli 1945. Danach war vor aller Kunst noch ein jahrelang schwieriger Aufbau zu leisten.

Nach dem auch in Kalkar verheerenden Krieg blieb Sabisch Kalkar treu. Der Niederrhein wurde seine dauerhafte Wahlheimat. Als Gründungsmitglied der Krefelder Künstlergruppe 45, dann Mitglied der Düsseldorfer Rheinischen Sezession und des Klever Niederrheinischen Künstlerbundes, dem er auch lange bis 1962 präsidierte, stellte er regelmäßig aus. Größere Sonderausstellungen etwa in Wesel (1952, 1961), in Nimwegen (1954), Mönchengladbach (1956), Aachen (1961), Kleve/Wasserburg (1971) und Ehrungen (Kunst am Bau, Duisburg 1953, Portraitpreis Düsseldorf) kamen hinzu. Auch als Maler trat er 1972 im Städtischen Museum Kalkar zusammen mit Bernd Schulte, Theo Kauertz und Hermann Teuber mit sechzehn Bildern „Aus südlichen Ländern“ auf.

Mit einer Reihe von bedeutsamen öffentlichen Aufträgen setzte er sich in den fünfziger Jahren erneut durch. Bis in die frühen siebziger Jahre entwickelte er nun eine stetige künstlerische Fruchtbarkeit, mit der er sich neue Themen und vielfache Materialien erschloss. In dieser Zeit entstanden seine am Niederrhein wohlbekannten größeren Arbeiten wie 1952 die Kreishaus-Reliefs in Kleve und die Bronzekirchentüren in Düsseldorf-Unterrath, 1953 die Kanzel in Louisendorf, 1954 der Schwanenbrunnen im Klever Burghof, 1956 die großen Reliefs Jüngstes Gericht an der Friedhofshalle in Bottrop und Der gute Hirte in der Krefelder Franziskusschule, 1957 die Reliefs am Rathaus in Uedem und das erste große Grabmal auf dem Kalkarer Friedhof, 1958 die einfühlsame Chorausgestaltung in der romanischen Abteikirche in Wissel, die großen bunten Wandreliefs in der Volksschule in Weeze und über dem Eingang des neuen Schwimmbads in Kleve. 1958/59 und 1960 kamen der Altartisch, die Kanzel und der Taufstein in der evangelischen Kirche Emmerich hinzu, dann 1960 der Große Fisch mit Brunnen in der Volksschule Rote-Kreuz-Straße in Krefeld, 1961 das Rathauswappen in Kleve, 1962 der Taufsteindeckel in Wissel, die Stephanus-Steinigung in Hasselt und das lebensgroße Schlottschmiede-Denkmal in Velbert. 1963, 1964 und 1968 kann er mit Taufsteindeckel, Osterleuchter und Ambo die Kirche in Hülm ausstatten, 1964 entstand das besonders stattliche Lilien-Wappen an der Emmerich-Klever Rheinbrücke (Klever Südseite, Nr. 138), 1965 die Kruzifixe in Sankt Bernhardin in Kapellen und vor allem der marmorne Altartisch in St. Nikolai in Kalkar, der nach 1997 einem etwas intoleranten neuen Geschmack weichen musste, aber an seinem schönen neuen Platz neben der Sabisch-Kanzel in Louisendorf weiter beeindruckt. Auch die Nikolausfigur am Kalkarer Schulzentrum schuf er in dieser Zeit. Im gleichen Jahr 1965 gestaltete er auch besonders eindrucksvoll die Taufkapelle in St. Maria und Magdalena in Goch, 1966 dann den Altartisch in Kessel und die Madonna in der neuen Kirche in Kehrum, 1969 das große Relief Befreite Vögel im Eingangsbereich von St. Aldegundis in Emmerich. Daneben steht eine Fülle von Skulpturen in zumeist privatem Besitz.

In dieser Zeit gibt Sabisch seine Kunst auch an einige begabte Schüler weiter, etwa den später in Frankreich bedeutend gewordenen Peter Theunissen (*1931), heute in dem Weiler Les Veyans bei Grasse in Südfrankreich, und Ludwig Dinnendahl (1941-2014) in Neubeckum, Münster und später Berlin oder auch an Rota Blanck in Neuwied (1940-2011).

Erst in den letzten Jahren musste dann die oft schwere bildhauerische Arbeit zurücktreten. So entstand Raum für viele Grafiken und Bilder als Holzschnitte, Linolschnitte, Aquarelle und Ölbilder in der immer schon gepflegten Zeichenkunst und Malerei. Eine Fülle lebhafter Landschaftseindrücke von zahlreichen Reisen mit der zweiten Frau Agnes, aber auch vom stimmungsreichen Niederrhein mit seinen Pappeln und intensiven, weiten Himmeln, wird mit technischer Universalität und großer inhaltlicher Intensität erarbeitet.

Wege zum Werk

Manche Menschen verstehen sich auf die unmittelbare Anschauung und den direkten emotionalen Kontakt zum Kunstwerk. Andere begegnen Kunstwerken als erfreute oder kritische Kenner. Viele schließlich freuen sich über ein wenig verbale Hilfe. Dafür wären natürlich viel erfahrene Kompetenz, gründliche Schulung und geduldig intensive Erforschung des einzelnen Werkes wie seiner Zusammenhänge in Zeit und Kunst notwendig. Für Sabisch liegt ein ziemlich vollständiges Skulpturen-, Bilder- und Skizzenverzeichnis vor, ebenso die Dokumentation in einer Fotosammlung und eine recht detaillierte Biografie, deren Fundament noch auf der Basis später Interviews gelegt werden konnte. Einige grundlegende Feststellungen sind daher möglich.

Sein plastisches Werk beginnt Sabisch mit Tierdarstellungen, den für ihn „kostenlosen Modellen“ im Leipziger Zoo, mit figürlichen Aktdarstellungen zu Menschen und Menschenpaaren und mit Porträtköpfen. Diesen „natürlichen“ Themen bleibt er sehr lange sehr treu, sie verlieren sich auch in den späteren Abwandlungen und Abstraktionen nie ganz.

Als Material werden anfangs Steinguss, dann Holz und Bronzeguss bevorzugt, später auch Bleiguss, viele Natursteine, Metalle und eine Fülle verschiedenster anderer Stoffe. Darin zeigen sich zunächst schlicht ökonomische Rücksichten auf die Kosten, dann und vor allem aber handwerklich-technische Perfektion und charakteristische Vorlieben. Steinguss war preiswert für den Anfänger, Goldschmiedelehre und Werkkunstschule sicherten dauerhaftes technisches Können und den Zugang zu prinzipiell allen Materialien. Diesen besonderen handwerklichen Fähigkeiten entsprechen bestimmte Vorlieben: die Stoffe werden stets liebevoll und energisch bearbeitet und dabei aus sich heraus entfaltet. Bei aller Bewegtheit, Lyrik und Musikalität vieler Arbeiten erhält sich stets eine gewisse Festigkeit und plastische Schwere, siehe etwa im Werkverzeichnis Maler S. (21), Fohlengruppe (29), Liegendes Pferd (35), Eurydike (51), Liebespaarrelief (66), Fliegender Engel (142), Befreite Vögel (166), Großer Fisch-Ilion (171), Knossos (172), Sternenhimmel (205). Die Holzfiguren sind mit größter Hingabe wie selbstverständlich auch aus dem schwierigsten Material herausgeführt und gewissermaßen zum Leben gebracht. Der harte Marmor erscheint leicht und weich und heiter, nicht nur im Veroneserrot (85) oder im lichten Carraraweiß (86), sondern auch im schwarzen Grabmal-Diabas (92). Die liebevoll gestaltete Hingabe an die Stoffe harmoniert gut mit „natürlichen“ Themen wie Tier- und Menschengestalten. Sie setzt sich fort in der Art, wie Sabisch sie behandelt: Er bevorzugt die relativ-zeitlose Natur, den bloßen Menschenakt, ohne jeden Hauch von Alltagsaccessoires, den Torso oder die leicht und später stärker, aber stets ohne jede gewaltsame Schärfe entschieden abstrahierte Figur. Die Porträts sind stark auf Typ und Form reduziert. Die Tierfiguren betonen den immer zugänglichen Typ, sie verniedlichen oder brutalisieren niemals, sie imitieren nicht bloß realistisch, sondern sind bei präziser Naturempfindung deutlich reduziert, stilisiert und geformt, bis zur immer entfernteren, aber doch noch verhaltenen Abstraktion in den späteren Arbeiten. Seit etwa 1960, mit der ersten Madonna, den Hirtenmotiven und Ähnlichem nimmt er gerne das überzeitlich-religiöse Symbol auf, natürlich auch bedingt durch die entsprechenden Aufträge. Ornamente sind selten, und wenn, dann streng, jedes bloße Dekor wird gemieden (vergleiche Nr. 149). Immer wieder wählt Sabisch Harmonisches, Unschuldiges, nicht Hässlich-Gestörtes, also Paare, bis hin zur Jesus- und Johannes-Gruppe, viele Frauen, seltener Männer, hier Jünglinge, immer wieder reizvolle Tiere. Noch die äußerlich größten Arbeiten meiden das Monumentale, sie kommen aus ohne jeden Appell an irgendeine Gegenwart oder gar Politik und heroisieren niemals das stets Sterbliche. Ausdruck und Haltung bleiben überzeitlich und allgemein-humanitär, gewissermaßen klassisch. In diese Richtung weist auch Sabischs Vorliebe für die klare Form, die zugleich jede Härte, aber auch jeden Manierismus vermeidet. Sie reicht von den weicheren frühen Arbeiten über die meisterhaft ausgewogen reduzierten mittleren Holzplastiken bis zu den späten Wachsausschmelzen, die in der bewegteren Oberfläche dennoch die volle Spannung der Form bewahren. Die Vorliebe zum Überzeitlich-Natürlichen und zum Typisch-Realen will also keine aktuelle Weltanschauung apologetisch-schön oder kritisch-realistisch ausdrücken, sondern einfach auf der Suche nach dauerhaft Schönem bleiben. So erklären sich wohl auch Erfolg, Duldung und Misserfolge erst in der Weimarer und dann in der nationalsozialistischen Zeit. Die durchaus naturalistischen, aber zugleich harmonisch-idealen Züge seiner Plastiken erlaubten einen Zugang und verboten das Etikett „entartet“. Aber der „Knieende Jüngling“ (Nr. 19) war zu wenig athletisch, dynamisch und willensbetont, die überlebensgroßen Supermänner fehlen, die Frauen wirken versonnen, unschuldig, rein statt erotisierend-süßlich oder betont fruchtbar. Vor allem seine Tierplastiken waren ohnehin zu unpolitisch, so wie schon die Themenwahl überhaupt.

Sabischs Zeichnungen, Grafiken und Bilder folgen keiner bestimmten Kunstrichtung, zumal er sich nicht eigentlich als Maler verstand. Die klare Linienführung des Bildhauers bestimmt die frühen Rötelzeichnungen und noch die ausdrucksvollen späten Grafiken. Die Bilder kennzeichnet eine besondere Sensibilität für die Vielfalt der Natur, auch und gerade, wenn sie so originell und selbstständig umgesetzt werden wie die südfranzösischen Ölbaumhänge, die häufigen Alpenmotive oder aber der winterliche Niederrhein.

Sabisch wendet sich also gegenüber der Palette der Kunstrichtungen um 1925 weder dem schon weniger geliebten Expressionismus, noch den in der Malerei beliebten Varianten von neuer Sachlichkeit zu, sondern eher eine Art vertiefter, erneuerter Klassik. Seine Akte, die zeitlose, innige Gestaltung, manch archaisch-einfache Züge, die glatte und klare Oberflächenbildung, die betont klare, aber nie harte Formgebung, und noch die Titel wie Leda, Daphne, Eurydike, Sirene, Ganymed usw. weisen in diese Richtung. Industrie, Arbeit und Sozialprobleme stehen thematisch sehr am Rande, ebenso wie bloß Konstruktives, Extremes oder bloß dem Augenblick der Laune Entsprungenes. Macht man sich klar, dass Sabisch auch genau oder fast Altersgenosse eines Dali, Marini, Moore war und um einiges jünger als Arp, Baumeister, Max Ernst, Georg Kolbe, Brancusi, Lehmbruck, Marcks, Mataré, Picasso, Schlemmer oder Schwitters, so verdeutlicht sich seine Zurückhaltung gegenüber diesen Versuchen der Moderne. Man muss diese seine Zurückhaltung als gewollt und bewusst nehmen, denn souveränes Können und intensive Gestaltungskraft bewies er immer wieder. Diesen eher klassischen Weg vertritt er also als seine Lösung. In diesem Sinne hat er mit höchster technischer Reife, mit bewundernswerter Hingabe an den Menschen, die Natur und ihre Stoffe, und mit zugleich großartig formgebender Kraft seine Skulpturen geschaffen. So scheint der Zugang zu manchen Werken geradezu leicht, bis man im Rückblick die harmonische Ausgewogenheit von Stoff und Form und die Innigkeit der Darstellungen immer mehr als Geheimnis empfindet. Noch seine letzte größere Arbeit, der Sternenhimmel (Nr. 205) setzt diese Linie mit den ganz neuen Mitteln Aluminium und bunten Kunstglassteinen fort.

Quellen

Die Darstellung wurde im Frühjahr 1985 für Sabischs Geburtstagsausstellung im Städtischen Museum Kalkar geschrieben und 2020 erneuert und leicht erweitert. Sie beruht auf einer Sammlung von Zeitungsartikeln, meist zu Ausstellungen, Geburtstagen und auf persönlichen Interviews von mir mit Sabisch. Daneben liegen ihr die Standardwerke zur Geschichte der Plastik und zur Epoche zugrunde, wie Steingräber, Deutsche Kunst der zwanziger und dreißiger Jahre, München 1979, darin besonders J. Heusinger von Waldegg, Plastik, S. 236-304; Die Dreißigerjahre, München 1977, darin besonders G. Aust, Plastik, S. 133-153; W. Grzimek, Deutsche Bildhauer des 20. Jahrhunderts, Wiesbaden 1969; Deutsche Bildhauer 1900-133. Eine Ausstellung zusammengestellt vom Wilhelm-Lehmbruck-Museum Duisburg, durchgeführt 1976; P. O. Rave, Kunstdiktatur im Dritten Reich, Hamburg 1949, H. Read, Geschichte der modernen Plastik, Princeton 1977. Kennengelernt habe ich Sabisch seit 1966, seit 1969 dann als Schwiegersohn. Sehr geholfen haben mir 1985 die großartige Bibliothek des Sprengel-Museums in Hannover und auch meine rechtshistorisch-historische Profession.

Joachim Rückert, im November 2020,
Frankfurt am Main / Friedrichsdorf-Seulberg